Lemmingzyklen - Pflanzendecke - Energiefluss

(­> Arbeitsblatt 2)

 

Störungen der Pflanzendecke

Lemminge ernähren sich hauptsächlich von Knospen, Blättern, jungen Trieben und Wurzeln. Sie haben einen Nahrungsbedarf von 40 bis 50 kg Pflanzenmasse pro Jahr. Dies entspricht einer Nahrungsmenge, die das 1,5- bis 2-fache ihres Körpergewichtes (ca. 50 g) pro Tag beträgt. Rund um Lemmingsiedlungen kann es zu einer Abweidung der Fläche von 90 - 94 % kommen. Zwischen den für den Lebensraum der Lemminge charakteristischen Zwergsträuchern graben die Lemminge ein Netz von Gängen als Kennzeichen der Winterquartiere. Diese können eine Länge von 21 bis 329 m pro 100 m2 haben und 1 bis 29% der Gesamtfläche einnehmen. Nach dem Verlassen der Winterquartiere wird der Bau an einer höher gelegenen Stelle gegraben. Hierbei kann es zu einem Erdauswurf von 250 kg pro ha kommen. Es ist offensichtlich, dass die Störung der Pflanzendecke durch die Lemminge sehr stark ist (Walter, 1986). Dies macht auch folgender Vergleich deutlich: Alle Herbivoren der Tundra zusammen konsumieren nicht mehr als 15 % der Pflanzenprimärproduktion. Herrscht nun ein Lemmingmaximum vor, so wird die Produktion der Tundra um mehr als 30 % reduziert. Dies ist in erster Linie auf die Wurzelzerstörung zurückzuführen. Aber auch die Tatsache, dass die Pflanzendecke den größten Schaden nimmt, wenn sie im Frühling abgegrast wird, also in der Wachstumsphase, ist von Bedeutung.

Die Lemmingpopulation erreiche ihr Maximum im Frühjahr und schädigt damit die Pflanzendecke in dieser Jahreszeit besonders stark (Remmert, 1980).

  

Nutzen für die Pflanzen

Die Lemminge sind auch von Vorteil für die Pflanzen. In den Tundraböden findet eine starke physikalische Verwitterung statt, aber die chemische Verwitterung ist nur gering. Also herrscht wegen Kälte, Bodennässe und saurer Reaktion auch nur eine geringe biologische Aktivität vor. Die Folge ist, dass der Abbau pflanzlicher Bestandsabfälle gehemmt ist, was wiederum zu einer Armut der Böden an Pflanzennährstoffen führt (Bick, 1993). Der damit bestehende Mangel an Mineralstoffen begrenzt den Fortpflanzungserfolg der Lemminge. An diesem Punkt setzt die "Hypothese zur Nährstoffwiedergewinnung" von Schultz an (Abb. 3).

Nährstoffwiedergewinnung

Abb. 3. Zusammenfassung der Schritte in der Hypothese zur Nährstoffwiedergewinnung nach Schultz. (Begon, 1992).

 

Lemminge fressen und verdauen Pflanzen, so dass eine Nährstofffreigabe über Kot und Urin stattfindet (Begon, 1992). Dies hat folgende Auswirkungen auf den Energiefluss:
Die Pflanzen gehen schneller zugrunde, wenn sie gefressen werden. Ihre mineralischen Inhaltsstoffe kehren in verfügbarer Form (Fäkalien und Urin) zum Boden zurück. Es findet eine Beschleunigung des Stoffkreislaufes statt. Die Ausscheidungen der Herbivoren üben gewissermaßen einen Düngungseffekt aus. Die Folge ist eine größere Pflanzenproduktion.

Das Fressen der Pflanze führt also letztendlich zu einer beschleunigten Remineralisation von organischem Material und zu einem Anstieg des Mineralgehaltes der Pflanzen, wobei Phosphor  das wichtigste Element ist (s. Abb. 7).

Abb.7: Phosphorgehalt von Pflanzen (ausgezogene Kurve) und relative Populationszahl von Lemmingen (Balken) in Point Barrow, Alaska. (Remmert, 1992)

Es findet eine Beschleunigung des Phosphorkreislaufes statt. Zwischen der Anzahl der Lemminge und dem Phosphorgehalt der Pflanzen ist eine eindeutige Korrelation zu erkennen (Walter, 1986).

 

Aber auch die Tiefe des getauten Bodens  steht mit den Lemmingzyklen im Zusammenhang:

Abb.6: Lemmingzyklen und ihre Folgen für Bodenfrost, Geschlossenheit der Pflanzendecke und Phosphorgehalt der Pflanzen. (Remmert, 1992)

Nach einem Lemmingmaximum taut der Frostboden aufgrund der Zerstörung der Pflanzendecke (Boden weniger isoliert) viel tiefer auf, so dass mehr Nahrung für die heranwachsenden Pflanzen zur Verfügung steht. Diese sind folglich nährstoffhaltiger. Außerdem sind die Lemmingzyklen noch mit einem drastischen Wechsel in der Zusammensetzung  der Flora in Verbindung zu setzen (Remmert, 1980 und 1992).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Lemming-Hoch bzw. -Tief unterschiedliche Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Mineralstoffen und die Wachstumsrate der Vegetation hat.