Lemmingzyklen
Zyklenbeschreibung
Abb. 1. Geschätzte Lemmingdichte über eine Zeitspanne von 20 Jahren in der Küstentundra bei Barrow, Alaska. (Begon, 1992).
Stationen eines "Lemmingjahres":
- Im Winter vermehren sich die Lemminge in Nestern unter dem Schnee. Die Population steigt rasch. Viele Tiere graben sich durch den Schnee nach oben und wandern umher; das sind erste Kennzeichen einer Überbevölkerung.
- Die Population erreicht im Spätfrühling ein Maximum.
- Nach der Schneeschmelze werden die Schäden an der Vegetation deutlich; die Lemminge sind durch die Unterbrechungen des Moos- und Flechtenteppichs stark exponiert. Sie werden in großen Zahlen von Räubern angegriffen und dezimiert. Außerdem breitet sich die Population in ein größeres Gebiet aus.
- Die Population sinkt dadurch im Sommer auf ein niedriges Niveau ab.
- Dieses Niveau ist für 1 - 3 Jahre stabil, bis es wieder zu der übermäßigen Vermehrung eines "Lemmingjahres" kommt.
Typische Periodizität: 3 bis 4 Jahre (Abb. 1)
(Begon, 1992 und Irving, 1972).
Die Zyklen haben einige wichtige Eigenschaften:
- Eine Art ist nicht notwendigerweise in ihrem ganzen Verbreitungsgebiet zyklisch.
In Point Barrow, Alaska, z.B. machen die Lemminge sehr ausgeprägte und regelmäßige Zyklen in der Populationsdichte durch, im nur 300 km entfernten Prudhoe fehlen diese Zyklen vollkommen. Ähnliche Unterschiede herrschen in Kanada zwischen Devon Island, wo Zyklen existieren, und Ellesmere Island, wo die Populationen relativ stabil sind (Remmert, 1980).
- Alle Arten eines bestimmten Lebensraumes erreichen ihre Maxima und Minima der Bevölkerungszahl gleichzeitig, d.h. ihre Populationszyklen laufen synchron ab. So ist es z.B. bei den Lemmingen und einigen Mäusearten zu beobachten.
- Die Periodizität der Lemmingzyklen ist gleichmäßiger als ihre Amplituden, d.h. die Anzahl der Lemminge ist nicht während jedem Maximum gleich hoch, sie schwankt von Zyklus zu Zyklus.
- Lemmingzyklen sind nicht symmetrisch.
Nicht jedes Jahr existieren ein Maximum und ein Minimum.
Auf ein "Lemmingjahr" mit einer schnellen Bevölkerungsexplosion und einem ebenso schnellen Zusammenbruch folgen dann Jahre mit geringen Dichten (Abb. 1).
- Ausbreitung im Sinne von Emigration (Massenwanderungen von Lemmingen) sind zur Populationsänderung unbedingt notwendig (Begon, 1992).
- In Point Barrow hat man die Individuenanzahl pro Hektar zu verschiedenen Zyklenabschnitten gemessen. 200 Individuen pro Hektar des braunen Lemmings (Lemmus sibiricus) war dabei die höchste jemals gemessene Anzahl während eines Lemmingmaximums. Im Vergleich dazu steht die geringe Anzahl von 1 bis 2 Individuen pro Hektar, wenn sich die Populationsdichte an ihrem Minimum befindet. Der arktische Lemming (Dicrostonyx torquatus) erreicht nur eine maximale Dichte von 20 Individuen pro Hektar (Remmert, 1980).
Entstehung der Lemmingzyklen (> Arbeitsblatt 1)
Zur Erklärung der Zyklen unterscheidet Begon zwischen äußeren und inneren Faktoren.
Äußere Faktoren sind hierbei Wetter, Nahrung, Räuber, Parasiten und Pathogene.
Sie verändern nicht ein einzelnes Individuum, sondern wirken auf die gesamte Population.
Innere Ursachen hingegen bewirken Veränderungen im einzelnen Individuum.
Dies können hormonelle, aber auch Verhaltensänderungen sein, wobei letztere genotypischer oder phänotypischer Art sein können.
Die Fluktuationen sind in erster Linie abhängig von Nahrungsquantität und -qualität. Bäume und Sträucher produzieren nicht jedes Jahr Saatgut . Nach einem "Saatjahr" müssen wieder Reservematerialien in den Markstrahlen akkumuliert werden. In Skandinavien treten solche "Saatjahre" im 4-Jahresrhytmus auf (Abb. 2), was auf einen Zusammenhang mit den Lemmingzyklen hindeutet (Remmert, 1980).